ImpressumDatenschutzBarrierefreiheitHans RichterArchitekt1882—1971

Villa Pietschmann in Schluckenau

Adresse:
Šluknov-Císařský 342
GPS:
51°00'14.4"N 14°26'39.5"E
Entwurf:
1927
Bauzeit:
1928
Bauherr:
Franz Pietschmann
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Der kompromisslos kubische Baukörper der zweistöckigen Villa wirkt zwischen den überwiegend ländlichen Bauten in der einst eigenständigen Gemeinde Císařský, heute ein Viertel der Stadt Šluknov, wie eine Fatamorgana. Mit ihren Flachdächern, der riesigen Loggia und den großformatigen Fensterflächen brachte sie als erste die Ideen des Internationalen Stils in das konservative Milieu des nordböhmischen Grenzgebiets.

Der Geburtsort Hans Richters war Království (Königswalde), der unmittelbare Nachbarort der Gemeinde Císařský. Es ist anzunehmen, dass der Kontakt zum Bauherrn Franz Xaver Pietschmann darauf zurückgeht. Dieser führte die erfolgreiche Textilfirma weiter, die 1888 von seinem Vater Adolf gegründet worden war. Die Leitung des Familienunternehmens hatte er 1917 übernommen. Er brachte wichtige Handelsverträge mit Großbritannien in die Firma ein, so dass die Fabrik schließlich bis zu 60 Prozent ihrer Produktion dorthin exportierte. Im Jahr 1926 baute er die Fertigung deutlich aus und erhöhte die Zahl der Mitarbeiter um ein Drittel auf 350. Kurz danach entschied er sich zum Bau eines neuen Familiensitzes.

Für das Haus ist ein Entwurf von 1927 erhalten geblieben. Er zeigt eine schlichte Fassade, deren Plastizität durch die Komposition der Baukörper und die Positionierung der Fenster erzielt wird. Die Grundlage bildet ein Kubus mit vorgezogener Diele, dem durch eine Loggia Leichtigkeit verliehen wird. Diese Loggia umgibt auf Höhe des ersten Stockwerks einen großen Teil des Hauses. Daran schließt sich der Trakt mit den Nebenräumen an. Seltsam ist, dass dieses gewagte und zum größten Teil umgesetzte Konzept von einem Steildach abgeschlossen wird. Warum? Vielleicht aus Vorsicht, denn im nahegelegenen Warnsdorf hatte der Stadtrat im Juni desselben Jahres die Genehmigung einer Villa mit Flachdach für Rechtsanwalt Martin Eltis, einem anderen Projekt Richters, zunächst verweigert. Dort musste der Bauherr zunächst einen Rechtsstreit mit den konservativen Vertretern der kommunalen Selbstverwaltung ausfechten, womit er möglicherweise auch Pietschmann den Weg ebnete. Am Ende wurden beide Projekte dem Ideal moderner Architektur gerecht. Bei Pietschmann fand die Bauabnahme im Dezember 1928 statt, zwei Wochen früher als bei Eltis, wodurch dieser das funktionalistische Primat errang.

Die Villa Pietschmann fiel nach 1945 zusammen mit der Fabrik an den Staat und diente als Krippe und Kindergarten. Es kam zu einer Reihe von Umbauten, wobei die sichtbarste die Verglasung der Loggia war. Nach 1990 verfiel das Objekt, bevor die derzeitigen Besitzer die Ruine erwarben. Sie begannen anhand von Fragmenten der ursprünglichen Baupläne mit der einfühlsamen Wiederherstellung des äußeren Erscheinungsbildes. Zu den historischen Elementen gehören die steinernen Außenstufen und ein Teil der Umzäunung mit dem typischen Richter’schen Rastermuster. Vom Interieur ist praktisch nichts erhalten geblieben.