ImpressumDatenschutzBarrierefreiheitHans RichterArchitekt1882—1971

Hans Richter

* 14. 4. 1882 Königswalde/Království (Böhmen)
† 10. 12. 1971 Dresden (Sachsen)

Werksübersicht

Hans Richter wurde als Johannes Richter in sehr einfache Verhältnisse geboren. Sein Vater war Weber und vermutlich später Maurer in Königswalde (tsch. Království) /Böhmen. Er hatte sechs Geschwister, von denen drei schon als Kind verstarben.

Ausbildung
Für eine Maurerlehre wechselte Richter zunächst nach Rumburg (tsch. Rumburk) und absolvierte ein Baupraktikum bei Baumeister Alois Korber, einem Schüler des Wiener Ringstraßen-Architekten Theophil von Hansen. Es folgte von 1898 bis 1902 die Staatsgewerbeschule in Reichenberg (tsch. Liberec). Seine dortigen Studienarbeiten standen nach eigenem Bekunden unter dem Einfluss von Otto Wagner und Joseph Maria Olbrich. Danach sammelte Richter von 1902 bis 1908 Berufserfahrung als Techniker in Aussig (tsch. Ústí nad Labem), wo er u.a. im Tiefbau für Flußregulierungen und Wasserleitungen zuständig war. 1906 besuchte er die Kunstgewerbeausstellung in Dresden und beschloss daraufhin, Architekt zu werden. Er beteiligte sich 1907 mit Rudolf Bitzan am Wettbewerb für das Theater in Aussig und wechselte in dessen Atelier, „wo in neuzeitlichen Formen gearbeitet wurde“. 1909 heiratete Richter.

Studium
Im Jahr darauf, 1910, nahm er das Studium an der Kunstakademie in Dresden auf und erweiterte dort bis 1914 seine Kenntnisse, zunächst als Schüler u.a. von German Bestelmeyer, dann bei Cornelius Gurlitt und Paul Wallot. In seine Studienzeit fallen erste erfolgreiche Wettbewerbsbeteiligungen. So konnte Richter u.a. 1911 in der Konkurrenz für ein Stadtbad inklusive Platzgestaltung in Komotau (tsch. Chomutov) einen 2. Preis erringen – neben dem renommierten Architekturbüro Theiß&Jaksch aus Wien. An der Akademie erhielt Richter 1913 die „Große silberne Medaille“ mit Prämie der Raphael-Torniamentischen Stiftung, einer Stiftung der Akademie, sowie das Carl-Mankiewicz-Stipendium, das an „minder bemittelte“ Studenten vergeben wurde. Im Jahr darauf schloß er das Studium ab.

Erste Anstellung
Es folgte bis 1918 eine Anstellung in der Bauabteilung des Sächsischen Finanzministeriums unter dem Reformarchitekten Oskar Kramer. Aus dieser Arbeitsphase sind ihm bisher keine Bauten und Projekte zuzuordnen, Wettbewerbsbeteiligungen sind aber dokumentiert. Mit seinem Entwurf für einen Arbeitsnachweis für Dresden konnte Richter bei 54 Einsendungen den 3. Preis erzielen. Die strenge Reihung der Bauelemente verleitete einen zeitgenössischen Kritiker, den damaligen Leiter der Dresdner Baupolizei Herbert Conert, zur Charakterisierung des geplanten Baus als „Haus der Rubriken und Regale“. Im selben Jahr tat Richter sich für ein geplantes Immelmann-Denkmal auf dem Tolkewitzer Friedhof mit dem jungen Bildhauer Johannes Born zusammen. Die obeliskenartige Stele wurde bei 105 Einsendungen mit dem für ihn bisher besten Ergebnis, dem 1. Preis ausgezeichnet. Doch auch dieser Entwurf wurde nicht realisiert

Selbständigkeit
Nach dem 1. Weltkrieg ließ Richter sich als freier Architekt in Dresden nieder und beteiligte sich in den folgenden Jahren weiter an Wettbewerben. Die Überlieferungslage ist auch für diese Phase relativ schwierig. Offenbar baute sich Richter aber bereits in den frühen Jahren seiner Selbständigkeit zwei Standbeine auf: eines in Dresden und eines in Böhmen. Die familiären Beziehungen in seine Heimat brachten ihm wahrscheinlich die ersten Gelegenheiten, Bauten zu realisieren. Denn in Sachsen war die wirtschaftliche Lage nach dem Krieg viel schwieriger als in Böhmen. In Nordböhmen waren um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert viele wichtige Textilfabriken gegründet worden. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg investierten ihre erfolgreichen Eigentümer in den Bau repräsentativer Wohnhäuser. Und so sind die Innenraum- und Gartenpläne aus Jahren 1920 bis 1921 für die Villa des Unternehmers Heinrich Kumpf in Wölmsdorf (tsch. Vilémov) die frühesten Richter zuzuordnenden Projekte. Hinzu kamen Industrieentwürfe, die um 1921/1922 unter Ausnutzung der Möglichkeiten des Betonbaus und viel Glas – Richter spricht von „gläsernen Industriebauten“ – deutlich expressionistische Formen zeigen, z. B. für Nixdorf (tsch. Mikulášovice) und ev. die MIMOSA in Dresden. Erste programmatische Flachdächer tauchen auf und eine Vorliebe für turmartige Ecklösungen wird deutlich. Beim Haus Richter zeigt sich bereits prototypisch, wie plastisch Richter seine Bauten auffasste und Einzelelemente miteinander verband. Haus Heller in Aussig (tsch. Ústí nad Labem) dokumentiert vielleicht am deutlichsten sein Studium Frank Lloyd Wrights.
Etwa zeitgleich arbeitete Richter an Entwürfen für einen der wichtigsten Wettbewerbe in Dresden: den Bau für ein Deutsches Hygiene-Museum. Im Gegensatz zu den Entwürfen von anderen, jüngeren Architekturbüros wie Wassili und Hans Luckhardt, entwarf Richter einen streng klassizistischen Bau in Tempelform, konnte damit aber keinen Preis erringen. Mehrere innenarchitektonische Hallengestaltungen und ein temporärer Ausstellungsbau für die Jahresschau „Deutsche Textilausstellung“ erscheinen heute als Erstlingswerk in Dresden.
Parallel entstanden in Böhmen weitere Landhäuser und Villen. Bei Arno Plauerts Wohnhaus in Warnsdorf (tsch. Varnsdorf) und dem Entwurf für das Landhaus Karsch in Böhmisch Kamnitz (tsch. Česká Kamenice) zeigt sich immer deutlicher Richters Vorliebe für überstehende Dächer und Kragplatten sowie die verstärkte Hinwendung zum Flachdach. Ihnen wohnt, wie auch späteren Objekten, eine „noble Einfachheit und Herbheit“ (Fritz Löffler) inne.
Mit der Beteiligung an einem weiteren Dresdner Großwettbewerb mischte sich Richter in die damals landesweit geführte „Hochhaus-Debatte“ ein. An dem Ideenwettbewerb für ein Geschäftsgebäude des Dresdner Anzeigers und ein Bürogebäude beteiligte er sich neben 214 weiteren Architekten, jedoch ohne Preisgewinn. Doch Mitte der 1920er Jahren konnte Richter, sicher auch aufgrund der allgemein verbesserten wirtschaftlichen Lage, u.a. in Böhmen zahlreiche, auch größere Bauaufträge realisieren. So entstand für den Industriellen Josef Palme in Schönlinde (tsch. Krásná Lípa) eine großzügig terrassenförmig angelegte funktionalistische Villa von enormen Ausmaßen. Im selben Ort realisierte er wenig später den „Glaskasten“ der Seiden- und Wirkwarenfabrik Schindler. Noch bevor in Dresden die Hille-Werke, ein Wasserturm sowie verschiedene Siedlungsbauten – vor allem die wichtigste und bis heute mit seinem Namen verbundene Wohnanlage in Trachau – fertiggestellt werden, wurde er 1927 in die erste architekturgeschichtliche Gesamtdarstellung zur Moderne in Deutschland aufgenommen: die „Die Baukunst der neuesten Zeit“ von Gustav Adolf Platz.
Für eines der wichtigsten Themen der Zeit, das an die wirtschaftlich nun wieder schwierigere Zeit angepasste „billige, zeitgemäße Wohnhaus“, erhielt Richter 1930 nicht nur Auszeichnungen bei Wettbewerben, sondern führte auch „ehrenhalber auf Veranlassung des Wohnungsministeriums“ einen entsprechenden Bau auf der „Internationalen Hygiene-Ausstellung“ in Dresden aus. Auffällig ist hierbei der große Anteil für den Gartenbereich und die konsequente Verwendung von normierten Bauelementen in Glas, Stahl und Beton. Die damals ebenfalls errichteten Hallenbauten für Sport und Heilkunde sowie die Gastronomie wiesen die gleiche Leichtigkeit, Eleganz und Konsequenz auf wie der zweite Beitrag Richters zum Thema Hochhaus: Sein Glas-Stahl-Hochhaus mit schwarzen, weißen und grauen Glasplatten zwischen den Stahlgerippen beeindruckt noch heute durch die zeitlose Formensprache. Ähnlich verhält es sich mit seinen Planungen für die Innenstadt und das neue Kurhaus in Teplitz-Schönau (tsch. Teplice v Čechách). Im internationalen Ideenwettbewerb für die Innenstadt Stockholm konnte sich Richter 1932 zusammen mit dem Dresdner Stadtbaurat Paul Wolf mit einer breiten Achsengestaltung mit teilweise 18geschossigen Geschäftshäusern bei 465 eingereichten Arbeiten für einen 1. Preis qualifizieren.
Als Mitglied des Deutschen Werkbundes, des BDA und der Künstlervereinigung Dresden brachte der auch sehr musik- und literaturinteressierte Richter sich aktiv in das Kulturleben der Stadt ein. In der Ausstellung „Das Kunstwerk im Raum“ zeigte er noch einmal seine innenarchitektonischen Fähigkeiten. Doch die größeren Projekte, wie dasjenige für eine Großmarkthalle in Dresden und sein preisgekrönter Entwurf für eine Schule in Ostritz wurden, letzteres aus wirtschaftlichen Gründen, nicht ausgeführt.

1933 bis 1945
Nach dem politischen Wechsel ist Richter erstmals im Juni 1933 mit dem Entwurf für ein Wagner-Denkmal in Leipzig zusammen mit Karl Albiker, damals Professor an der Dresdner Kunstakademie, greifbar. Für Richter wie Albiker galt damals gleichermaßen, dass sie aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit im neuen politischen Machtraum um Aufträge bangen mussten. Nach eigenen Angaben war Richter nach 1933 „von allen öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen“ und wurde in BDA-Versammlungen als „Kultur-Bolschewist“ bezeichnet. Im Mai 1933 trat er der NSDAP bei und begründet seine Mitgliedschaft nach 1945 als eine Art Schutzmaßnahme, da er als regimekritisch bekannt gewesen sei.
Richters Wirken in den folgenden zwölf Jahren liegt noch immer weitgehend im Dunkeln. Im Jahr 1936 beteiligte er sich auf Einladung von Kollegen aus der demokratischen Tschechoslowakei an Präsentationen zum Städtebau in Prag und Pardubitz (tsch. Praha und Pardubice). Gleichzeitig zeigt seine Beteiligung am Wettbewerb für das Dresdner Gauforum (5. Ankauf), dass er sich durchaus auch an nationalsozialistischen Großprojekten versuchte. Und vermutlich nicht nur an seinem damaligen Wohnort: 1942 wird in der Presse auch die Heranziehung zur Projektierung von Monumental- und Staatsbauten bei der Umgestaltung Berlins durch Generalbauinspektor Speer erwähnt. Die genaue Beteiligung ist jedoch noch zu überprüfen.
Architektonisch passte Richter seine Formensprache zurückhaltend an die gewünschten monumentaleren Formen an, indem er klassische Architekturelemente wie Kolonnaden, Gesimse, Lisenen und Spitzdächer mit Gauben verwendete. Beispiele hierfür sind seine Entwürfe für ein Rundfunkhaus in Köln sowie für eine Gemeinschaftssiedlung in Dresden-Kaditz. Letztere wurde aufgrund des »starken Ausdrucks«, trotz verspäteter Abgabe, »hoch über alle bereits preisgekrönten Arbeiten gestellt« aber letztlich nicht ausgeführt.
Am monumentalsten fällt in Dresden 1942 das Bekenntnis zu neoklassizistischen Formen beim Entwurf für eine Erweiterung der Universelle, einer Dresdner Zigarettenmaschinenfabrik, aus. Für sie projektierte Richter bereits seit 1939, der Entwurf für ein monumentales hochhausartiges Verwaltungsgebäude entstand in einer kurzen Phase der Architektengemeinschaft mit seinem früheren Mitarbeiter Herbert Schneider, in dessen Nachlass sich die Pläne auch erhalten haben. Es könnte daher sein, dass hier der Einfluss des Büropartners greifbar wird, der nach 1945 weiter auf historisches Formenrepertoire zurückgriff. Eine wirkliche Händescheidung ist aber mit den aktuell vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Für Dresden sind ansonsten für diese Phase lediglich wenige Wohnhäuser und Ladenumbauten dokumentiert, in Böhmen konnte Richter ebenfalls keine Großprojekte realisieren.
Im Februar 1945 verlor Richter beim Bombenangriff auf Dresden sein Hab und Gut. Er kehrte nach Böhmen zurück, wurde dort aber nach eigenen Angaben bald von der Gestapo in Warnsdorf „infolge staatsfeindlicher Reden“ verhaftet und entging einer möglichen Verurteilung durch den Einmarsch der russischen Truppen.

Nach 1945
Im August 1945 beantragte Richter mit Hinweis auf seine innere Gegnerschaft, teilweise geahndete kritische Äußerungen sowie seine Verhaftung die Anerkennung als tschechoslowakischer Antifaschist. Ob dem auch stattgegeben wurde ist momentan unklar. Im Herbst 1946 kehrte er nach Dresden zurück, realisierte 1947 für die Fotoindustrie einen Pavillonbau auf der Leipziger Messe und beteiligte sich an Wettbewerben. Hervorzuheben sind seine Entwürfe für die Sächsische Sozialversicherungsanstalt in Dresden von 1947, die die zuvor angeeigneten klassizistischen Elemente mit einem Anflug der früheren Leichtigkeit kombinierten und ihm einen 1. Preis einbrachten. Neben Planungen zum Auf- und Umbau des früheren Ständehauses für den Landtag versuchte Richter mit weiteren Plänen an den Wiederaufbauplanungen für Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), Leipzig und Dresden mitzuwirken. Für den Wettbewerb zur Innenstadtgestaltung Dresden suchte er sich mit Wolfgang Klier einen Partner für die Verkehrsplanung und errang noch einmal einen 2. Preis. Seine Hochbauentwürfe, für das Opernhaus und ein Kulturhaus in Leipzig mit Dachgartenabschluss sowie für einen Pionierpalast mit Barockrundbau in Dresden, konnten aber nicht mehr überzeugen. Entwürfe für die Kirchen St. Petrus in Strehlen und St. Franziskus in der Neustadt blieben ebenfalls auf dem Papier. Richter ist nur noch eine Realisierung zuzuordnen: der 1953 erfolgte Innenausbau der Volksbühne in Berlin, der ungewohnt dekorationsreich ausfiel und durch Ministeriumseingaben offenbar stark überarbeitet werden musste. Seine 1954 bis 1955 erarbeiteten Pläne für eine neue Außengestaltung wurden nicht umgesetzt.

1971 verstarb Hans Richter kinderlos in Dresden.